Mehr als Schall und Rauch

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23. September 2016, Bremer Nachrichten

(Mit Bezug zu IZA DP No. 10217: Discrimination against Female Migrants Wearing Headscarves)
 

Namen sind Schall und Rauch, sagt ein Sprichwort. Dem widerspricht allerdings eine aktuelle Studie, nach der eine Sandra Bauer bei einer Bewerbung bessere Chancen auf einen Job hat als eine Meryem Öztürk. Erschienen sind diese Forschungsergebnisse einer Ökonomin von der österreichischen Universität Linz am Dienstag beim Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Kurz gefasst besagen sie, dass ein türkischer Name oder gar ein Foto mit Kopftuch in den Bewerbungsunterlagen bei Arbeitgebern auf negative Resonanz stoßen. Bilgin Heydt, Geschäftsführerin der Einrichtung Neue Burg in Verden, hieß nicht immer so. Bevor sie ihren deutschen Mann heiratete, trug sie einen türkischen Nachnamen. Heute hilft sie beruflich Menschen, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung Hilfe benötigen, wieder eigenständig zu leben und zu arbeiten. "Aus der Perspektive eines Arbeitgebers kann ich sagen, dass ich mich über Bewerberinnen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund freue", sagt sie. Es tue ihren Klienten gut, denn auch sie kämen teilweise aus anderen Ländern. "Dass ich aus einer anderen Kultur komme, habe ich nie als Defizit oder als Problem erlebt, sondern vielmehr als eine sehr große Hilfe. Es hat mich immer unterstützt, dass ich einen Blick über meinen eigenen Tellerrand werfen konnte", sagt sie. In der jetzt veröffentlichten Studie bekam die fiktive Bewerberin Sandra Bauer bei gleicher Qualifikation in 18,8 Prozent der Fälle eine positive Rückmeldung, Meryem Öztürk nur in 13,5 Prozent. Trug die türkisch stämmige Bewerberin auf dem Bewerbungsfoto ein Kopftuch, waren nur 4,2 Prozent der Rückmeldungen positiv. Als Bilgin Heydt nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester und Studium in der Türkei Anfang der 1990er- Jahre nach Deutschland kam, machte auch sie negative Erfahrungen bei einem Bewerbungsgespräch im Krankenhaus. "Ich wurde gefragt, wo ich mein Kopftuch gelassen hätte und ob ich arbeiten dürfe. Ich hatte das Gefühl, dass das Gespräch sehr unhöflich und unfreundlich verlief. Es war vielleicht menschlich, dass ich danach sehr traurig war. Aber ich bin mir jetzt nicht mehr so sicher wie damals, ob die Person es auch so gemeint hat, wie ich es empfunden hatte. Schließlich hatte ich alles, Freunde, Familie, einfach alles eben, in Istanbul gelassen", erinnert sie sich. Der Verdener Gastronom Hüseyin Tavan hat inzwischen ebenfalls die Seiten gewechselt. Der Unternehmer muss sich heute nicht mehr auf Stellen bewerben, erinnert sich aber gut an diese Zeit in seinem Leben, in der auch er Diskriminierung erlebt hat. "Es ist definitiv so, dass es jemand mit ausländisch klingendem Namen schwerer hat", meint er. Diese Erfahrung habe er früher gemacht: "Ich musste meinen Namen durch mehr Leistung kompensieren". Als Arbeitgeber sieht er die Sache nun differenzierter. Vor allem im Restaurant-Bereich würde er eine Frau mit Kopftuch nicht einsetzen, im "hinteren Bereich", also der Küche, sei das kein Problem. Eine Kellnerin mit Kopftuch allerdings schrecke viele Gäste ab. Keks- Freitag-Chefin Anita Freitag-Meyer kann verstehen, dass Unternehmer bei direktem Kundenkontakt Bedenken haben, eine Kopftuchträgerin zu beschäftigen. Für ihre Firma könne sie aber definitiv sagen, dass es keine Vorbehalte gegen potenzielle Mitarbeiter mit Migrationshintergrund gebe. "Wir haben hier gelebtes Multi-Kulti", sagt die Geschäftsführerin. Und in der Produktion tragen ohnehin alle eine Haube, da mache es auch keinen Unterschied, ob Frauen privat ein Kopftuch aufsetzten. "Wir haben beste Erfahrungen mit ausländischen Mitarbeitern gemacht, schon als ich noch Kind war, hatten wir viele Gastarbeiter", betont Freitag-Meyer. Jürgen Esselmann, Geschäftsführer vom Unternehmensverband Rotenburg-Verden, habe bezüglich des Themas keine Rückmeldung aus den Betrieben. "Angesichts des herrschenden Fachkräftemangels kann ich mir aber nicht vorstellen, dass Bewerber wegen ihres Namens abgewiesen werden", meint er. Wenn die Qualität gegeben sei, sollte das kein Problem sein. Die gebürtige Türkin Bilgin Heydt ist längst ganz in Deutschland angekommen und erlebt vor allem Positives: "Ich habe dunkle Haare und man sieht mir an, dass ich nicht ursprünglich aus Deutschland komme. Trotzdem ist Deutschland meine Heimat und die Heimat meiner Kinder. Es ist für mich ein Gewinn, dass ich mit meiner Familie in so einer wunderschönen Multikulti-Gesellschaft leben darf", sagt sie. "Ich musste meinen Namen durch Leistung kompensieren".


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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