Kein Stillstand in der Migrationspolitik. Eine parteiübergreifende Initiative zur ökonomischen Steuerung der Zuwanderung ist überfällig

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Januar 2003, Leibniz-Journal 1/2003

(Gastbeitrag Klaus F. Zimmermann)
 

Das Scheitern der Politik, ein Gesetz zur Systematisierung der Zuwanderung in Kraft zu setzen, hat den Zukunftsperspektiven unseres Landes schweren Schaden zugefügt. Der Rückschlag für die von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft mehrheitlich befürwortete Orientierung hin zu einer stärker ökonomisch ausgerichteten Immigrationspolitik ist fatal. Wer die Flexibilisierung und Mobilisierung der Gesellschaft anstrebt und den Reformstau in Deutschland aufheben will, der darf sich dieser Richtung nicht versagen. Ohne diese Öffnung kann eine Exportnation in der globalisierten Welt nicht bestehen.

Dabei fällt die ökonomische Diagnose angesichts beginnenden Fachkräftemangels und demographischen Wandel eindeutig aus: Je länger wir darauf verzichten, durch ein System von Quoten und Auswahlkriterien in gezielter Dosierung ausländische Fachkräfte ins Land zu holen, um so gravierender die Folgen für diejenigen Unternehmen, die freie Arbeitsplätze nicht besetzen können. Umso spürbarer sind auch die Konsequenzen für die heute Arbeitslosen, denn im Umfeld der nicht besetzten beziehungsweise nicht durch das spezifische Know-how von Zuwanderern neu geschaffenen Arbeitsplätze bleibt auch die Nachfrage nach Zulieferdiensten aller Art aus. Je später wir das Instrumentarium einer bedarfsgerecht gesteuerten Zuwanderung erproben, umso schwerer dürfte es uns auch fallen, den nach dem Jahr 2010 verstärkt einsetzenden Arbeitskräfterückgang aufzufangen. Dies umso mehr, als Deutschland mit diesem Problem keineswegs alleine steht und sich der internationale Wettbewerb um das knappe Gut Humankapital verschärfen wird.

Dies alles ist nicht neu. Seit langem ist der ungünstige demographische Trend absehbar, ohne dass ernsthafte Anstrengungen zu seiner Bewältigung unternommen werden. Das Thema Zuwanderungsbedarf erleidet damit das gleiche Schicksal wie die so dringende Fundamentalreform der sozialen Sicherungssysteme. Auch hier ist der Fortschritt eine Schnecke und droht von der Realität überrollt zu werden.

Es ist hohe Zeit für parteiübergreifende Initiativen auf dem Feld der sozialen Sicherung und der Migration. Zuwanderung kann die dramatischen Finanzierungsprobleme insbesondere des Generationenvertrags nur lindern. Doch das ist kein Argument für eine weitere Vertagung der Entscheidung über ein umfassendes Zuwanderungsgesetz. Die weitgehend ungesteuerte Zuwanderung der letzten Jahrzehnte ist mit zunehmenden Risiken für Arbeitsmarkt und Integration verbunden. Gleichzeitig hat Deutschland den Weg für die Einreise von Leistungsträgern konsequent versperrt. Dieses Paradoxon muss endlich aufgelöst werden. Der rückläufige Zuzug von Aussiedlern und Flüchtlingen eröffnet Spielräume für eine deutliche Öffnung eines ökonomischen Zuwanderungskanals ohne die Gefahr einer wachsenden Gesamtzuwanderung.

Da nicht jeder kurzfristig auftretende Arbeitskräftemangel auf Dauer bestehen bleibt, muss neben dem Angebot dauerhafter Einreise zugleich ein sinnvolles Verfahren für eine befristete Arbeitsmigration etabliert werden, etwa durch die Auktionierung von Zuwanderungszertifikaten an Unternehmen. Dieses Aufgabenfeld haben Regierung und Opposition bislang weitgehend ausgeblendet.

Dass die Integration von Zuwanderern mithilfe von Sprach- und Integrationskursen bisher vernachlässigt wurden, ist ein weiteres Versäumnis. Die Verpflichtung zum Spracherwerb muss in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Gewährung von langfristigen Aufenthaltsrechten spielen. Es spricht auch nichts dagegen, die Zuwanderer und deren Arbeitgeber an den entstehenden Kosten zu beteiligen, um die Finanzierung adäquater Sprachkurse zu gewährleisten und sie nicht allein den öffentlichen Haushalten aufzubürden. Wer sich die überfällige Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zum Ziel setzt und wer die Vitalisierung von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft will, der darf einer gesteuerten Zuwanderung die Unterstützung nicht versagen. Nach den Landtagswahlen in Hessen und in Niedersachsen sollte es jetzt möglich sein, bald eine Regelung zu finden.


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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