Die ungewisse Konjunktur

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11. August 2010, DIW Berlin: Wochenbericht

(Gastbeitrag von Klaus F. Zimmermann)
 



Die Konjunktureuphorie in Deutschland überschlägt sich derzeit. Die Prognosen werden vielfach nach oben revidiert, ein geschätztes Wachstum für 2010 von 2,5 Prozent ist dabei nicht selten. Am kommenden Freitag wird das Statistische Bundesamt seine Wachstumszahl für das zweite Quartal 2010 veröffentlichen. Das DIW-Konjunkturbarometer prognostiziert dafür seit langem einen starken Anstieg, wie er ganz selten in der Nachkriegszeit beobachtet wurde. Allerdings wird sich das deutsche Wirtschaftswachstum in unserer Analyse danach in diesem Jahr nur auf deutlich niedrigerem Niveau fortsetzen.

Anfang 2009 gingen die meisten Konjunkturprognosen noch von einer Schrumpfung für 2010 aus. Das DIW Berlin verwies damals auf wissenschaftliche Untersuchungen, die die Aussagekraft von Prognosen zu frühen Zeiten in einem Jahr für das Folgejahr schon bei normalen Wirtschaftslagen für zu niedrig bewerteten. Um so mehr gelte das in einer großen weltweiten Wirtschaftskrise. Konsequenterweise setzte das DIW Berlin seine Prognose für das Folgejahr, nicht aber für das laufende Jahr, zunächst aus. Früher als andere, haben wir dann aber auf einen deutlichen Aufschwung im Jahr 2010 gesetzt.

Konjunkturprognosen sind insbesondere in wirtschaftlichen Wendepunkten sehr unsicher. Gerade deshalb sind sie ja so gefragt. Je größer die Unsicherheit, um so größer ist auch das Interesse der Medien und einer breiten Öffentlichkeit an Prognosen. Das ist nicht paradox. Denn je weniger man weiß, um so mehr ist auch die Hoffnung auf ein wenig Information etwas Wert. Genausowenig ist es unmoralisch, Prognosen zu publizieren, wenn man weiß, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit so nicht eintreffen. Denn alle, die damit zu tun haben, die Medien allemal, aber auch die zu beratende Politik und die Finanzakteure, wissen dies. Es böte sich allerdings an, auch die Bandbreite der vorhandenen Prognosen oder ein anderes Unsicherheitsmaß zu publizieren, um den Grad der Unwissenheit offenzulegen. Versuche dazu stießen aber bisher auf das Desinteresse der Öffentlichkeit.

An Krisenzeichen fehlt es auch in der Euphorie nicht. Das neue deutsche Wachstum gründet ganz klassisch auf der guten Entwicklung der Weltmärkte, diesmal allerdings besonders auf der des chinesischen Marktes. Die US-Konjunktur schwächelt neuerdings und auch China ist nicht mehr so dynamisch. Und der Baltic Dry Index, der Superstar der Konjunkturindikatoren in der vergangenen großen Wirtschaftskrise, der den Preis der Verschiffung von Rohstoffen mißt, fiel seit Mai bis Juli in Ausmaß und Länge wie seit 1995 nicht mehr. Anders als etwa Amerika kann sich Deutschland aber auf einen stabilen Arbeitsmarkt und ein gutes Konsumklima stützen. Und optimistische Prognosen sind anders als Desasterprognosen geeignet, die Konjunktur zu stützen.


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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