Letzte Hoffnung Zuwanderung

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20. Juli 2011, Süddeutsche Zeitung

(Bericht über IZA Prize 2011)
 

Die US-Ökonomen George Borjas und Barry Chiswick erhalten den IZA-Preis für Arbeitsmarktforschung. Ihre Arbeiten sind so aktuell wie nie zuvor

Sie haben bereits über offene Arbeitsmärkte und Zuwanderung geforscht, da war der Fachkräftemangel noch gar nicht spürbar. Die US-Ökonomen George J. Borjas, 61, von der Harvard- Universität und sein Kollege Barry R. Chiswick, 68, von der George-Washington-Universität gelten als Vordenker auf diesem Gebiet. Dafür werden sie nun mit dem IZA-Preis für Arbeitsmarktforschung ausgezeichnet, erfuhr die Süddeutsche Zeitung am Dienstag. Die Entscheidung wird an diesem Mittwoch vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn offiziell bekannt gegeben.

Ihre Forschungsarbeiten sind heute so brisant wie nie zuvor. Die Mobilität auf den weltweiten Arbeitsmärkten wächst. Und die Diskussion um den Abbau von Hürden für Zuwanderer wurde noch nie so kontrovers geführt. Die politische Debatte darüber wird auch noch lange nicht beendet sein. Doch es muss etwas geschehen. Denn der demografische Wandel schlägt zu: Wenn es immer mehr ältere und immer weniger junge Menschen gibt, dann fehlen zwangsläufig Fachkräfte. Die Bundesagentur für Arbeit erwartet, dass bis 2025 die Zahl der Erwerbsfähigen in Deutschland um 6,5 Millionen zurückgehen wird. "Selbst wenn es gelingen sollte, alle inländischen Potenziale zu heben, bleibt jedoch eine Lücke, die nur über die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland geschlossen werden kann", schlussfolgert die Bundesagentur. Etwa 200 000 Zuwanderer pro Jahr seien nötig, um das Loch zu stopfen.

Die deutsche Wirtschaft sucht schon heute händeringend gute Leute. Es fehlen Ingenieure und Techniker, aber auch Pflegepersonal und Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Die Unternehmen fordern daher eine grundlegende Lockerung des Zuwanderungsrechts.

Die Forschungsarbeiten der US-Wissenschaftler Borjas und Chiswick liefern dafür nicht nur theoretische, sondern auch praktische Hinweise. Und sie haben der deutschen Wirtschaft sogar schon einen Dienst erwiesen: Sachsen etwa will Fachkräften aus Ländern außerhalb der EU die Zuwanderung erleichtern. Kern des Modells ist ein Punktesystem, das die Zuwanderung nach Deutschland je nach Bedarf steuert. Der Ansatz wurde vom IZA erstellt und baut in wichtigen Teilen auf den Erkenntnissen von Borjas und Chiswick auf.

"George J. Borjas und Barry R. Chiswick sind heute auf ihrem Forschungsgebiet weltweit führend", begründete IZA-Direktor Klaus Zimmermann die mit 50 000 Euro dotierte Auszeichnung. Sie hätte der Politik wichtige Handlungslinien aufgezeigt und auf die drängendsten Fragen der globalen Ökonomie Antworten geliefert.

Der 1950 in Havanna geborene Borjas ist Professor für Volkswirtschaft und Sozialpolitik und berät mitunter die Weltbank und zahlreiche Regierungen. Er hat die Auswirkungen der Zuwanderung auf die Wohlfahrt untersucht. Er hält eine hoch qualifizierte Zuwanderung für notwendig, die von einer entsprechenden Zuwanderungspolitik gesteuert wird. Chiswick, 1942 in Brooklyn geboren, lehrt ebenfalls Volkswirtschaft. Er hat in seinen Forschungen die Bedeutung der Bildung für eine erfolgreiche ökonomische Mobilität herausgearbeitet. Er hat die Zusammenhänge von Sprachkenntnissen und dem Erfolg auf dem Arbeitsmarkt bei Zuwanderern untersucht. Dafür erhielt der Ökonom zahlreiche Auszeichnungen. Chiswick berät die Weltbank und die Vereinten Nationen. Er arbeitet bei seinen Forschungsprojekten mit dem IZA seit mehreren Jahren wissenschaftlich eng zusammen.

Mit dem IZA-Preis ehrt das Institut seit 2002 herausragende Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Arbeitsökonomie. Die Auszeichnung gilt als weltweit wichtigste innerhalb dieses Forschungsfeldes. Unter den bisherigen Gewinnern sind auch Dale Mortensen und Christopher Pissarides, die 2010 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet wurden. Der IZA-Preis 2011 wird am 25. August in Oslo verliehen.

Sibylle Haas


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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