Frauen als Joker im Arbeitsmarkt oder: Die "Feminisierung" der Arbeit

Logo
Januar 2002, DPVKOM Magazin

(Gastbeitrag Klaus F. Zimmermann)
 

Die Feminisierung der bezahlten Arbeit ist gleichzeitig Trend und Notwendigkeit. Seit längerem zeigen sich am Arbeitsmarkt bedenkliche Knappheitserscheinungen für qualifizierte Arbeitskräfte. Mit der demographischen Schrumpfung und der Alterung unter der erwerbsfähigen Bevölkerung wird sich diese Lücke in den nächsten Jahrzehnten weiter verstärken. Dazu kommt, daß durch die Expansion der Informations- und Dienstleistungsbranchen künftig weitere Bedarfe an qualifizierter Arbeit entstehen. Die gegenwärtige konjunkturelle Stagnation ändert daran nichts. Auch wird gerade in Krisenzeiten qualifiziertes Personal benötigt.

Die Erwerbsbeteiligung der Frauen in Westdeutschland ist seit langem kontinuierlich gestiegen. So waren verheiratete Frauen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren 1950 nur zu 20% erwerbstätig, heute sind es bereits über 70%. Im letzten Jahrzehnt hat sich insbesondere die Bildungsbeteiligung verstärkt. Heute ist die Hälfte aller Studienanfänger weiblich. Es überrascht nicht, daß angesichts steigender Qualifikationsniveaus und der Zunahme von Teilzeittätigkeiten bei stagnierendem Arbeitsvolumen die Integration von Frauen in den ersten Arbeitsmarkt weitgehend problemlos erfolgen konnte. In Ostdeutschland haben Frauen traditionell eine weit höhere Erwerbsbeteiligung als im Westen, und es dominiert die Vollzeittätigkeit. Doch hier sinkt die Beteiligung, so daß die innerdeutschen Unterschiede langsam verschwinden.

Die traditionelle Rolle des Mannes als Alleinverdiener geht in ihrer Bedeutung zurück. In 61% aller Ehepaar-Haushalte in Deutschland gehen beide Partner einer Beschäftigung nach, in einem Drittel dieser Fälle ist die Partnerin vollzeitbeschäftigt. Nur noch in 30% der Familienhaushalte ist der Mann der traditionelle Alleinernährer.

International gesehen ist Deutschland bei der Feminisierung der Arbeit guter Durchschnitt. Der Anteil der erwerbstätigen Frauen im Alter von 25 bis 54 Jahren an der Bevölkerung gleichen Alters lag im Jahre 2000 bei 71% und damit deutlich über den 66% der gesamten Europäischen Union. Die Bundesrepublik liegt damit gleichauf mit den Niederlanden. Andere Staaten sind Deutschland allerdings voraus: Großbritannien mit 73%, die Vereinigten Staaten mit 74% und Schweden gar mit 82%. Auch gemessen an der nach OECD-Kriterien berechneten Arbeitslosenquote liegt Deutschland im Jahre 2000 zwar mit 8% etwas günstiger als die Europäische Union insgesamt (8,9%), allerdings merklich schlechter als die Niederlande (3%), die USA (3,3%), Großbritannien (4%) und Schweden (4,6%).

Durchschnitt zu sein ist auf Dauer nicht genug. Es muß gelingen, die Erwerbsbeteiligung von Frauen als Joker in den Profilierungsprozeß des deutschen Arbeitsmarktes einzubringen. Dabei ist vor dem Einsatz der Brechstange zu warnen: Ein Gleichstellungsgesetz wie von den Gewerkschaften gefordert, das Frauenerwerbstätigkeit gesetzlich aufwertet, ist genauso kontraproduktiv wie der kürzlich in Deutschland per Gesetz eingeführte Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit. So wird die Erwerbstätigkeit von Frauen nur unnötig stigmatisiert.

Die Realitäten am Arbeitsmarkt verändern sich am wirksamsten durch marktwirtschaftliche Entwicklungen. Eine Schlüsselrolle für die Frauenerwerbstätigkeit nimmt dabei die Frage der Kinderbetreuung ein. Das Defizit in diesem Sektor stellt einen gravierenden Engpaß dar. Nur durch Zusammenspiel von Reformen der Nachfrage- und Angebotsbedingungen wird man hier weiterkommen. Das deutsche Bildungssystem verläßt sich zu sehr auf die Beiträge der Familie. Ganztagskindergärten und -schulen müssen zur Regelform werden, besondere Organisationsformen der Betreuung von jugendlichen Leistungsträgern und schwachen Schülern hinzukommen. Betriebskindergärten, eine Individualisierung der Arbeitszeiten und eine breite Einführung von Arbeitszeitkonten würden auf betrieblicher Ebene zusätzliche Flexibilitäten schaffen.

Daneben kann eine Reform des Fördersystems der deutschen Kinderbetreuung weiterhelfen, die die derzeit dominante Praxis der Trägersubventionierung ablöst. Zweckgebundene, vom Staat finanzierte Kinderbetreuungsgutscheine gäben den Eltern Nachfragemacht bei der Wahl zwischen zertifizierten Kinderbetreuungseinrichtungen, deren Anerkennung durch staatlich kontrollierte Agenturen erfolgte. Der gestiegene Wettbewerb gäbe auch privater Initiative eine Chance, der Markt für Kinderbetreuung könnte expandieren.

Die Quadratur des Kreises gelänge so in erster Annäherung: Im Betreuungsbereich kommt es auch zu einem größeren Bedarf an geringer qualifizierten Arbeitskräften, den wir so dringend benötigen. Daneben würde das große Potential an hochqualifizierten Frauen mit Kindern besser genutzt werden. Auch der bisher behinderte Aufstieg von Frauen in Leitungsfunktionen von Wirtschaft und Gesellschaft stellt sich mit der längerfristigen Einbindung in den Arbeitsmarkt und der höheren Nutzung fachlicher Qualifikationen leichter ein.


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

Back