Bezahlung ist entscheidend

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23. September 2011, Weser-Kurier / Bremer Nachrichten

(Interview mit Hilmar Schneider)
 

Ein-Euro-Jobs stehen seit Langem in der Kritik. Und auch die Reform der Bundesregierung wird daran nichts ändern, meint Hilmar Schneider vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit in Bonn im Gespräch mit Melanie Öhlenbach.

Herr Schneider, wie beurteilen Sie die Sparpläne der Bundesregierung mit Blick auf die Ein-Euro-Jobs?

Hilmar Schneider: Die Politik stiehlt sich aus der Verantwortung. So verhasst die Ein-Euro-Jobs sind - sie sind Teil eines Solidarprinzips, das auf Leistung und Gegenleistung beruht. Mit dem neuen Gesetz läuft man Gefahr, in die Unverbindlichkeit zurückzufallen. Die Betroffenen erhalten zwar ihr Geld, man verlangt aber nichts mehr von ihnen. So erspart man sich zwar Konflikte, stellt aber auch das Prinzip des Sozialstaats zur Disposition.

Warum?

Wenn man es Menschen zu leicht macht, Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, läuft man Gefahr, dass moralische Maßstäbe ins Wanken geraten. Wenn einer für sein Geld hart arbeiten muss und sieht, dass ein anderer ohne Arbeit auf das gleiche Einkommen kommt, fragt er sich: Warum mache ich mir den Stress?

Teilen Sie die Meinung der Wirtschaft, dass Ein-Euro-Jobs reguläre Arbeitsplätze zerstören?

Die Kritik der Unternehmensvertreter, dass die Tätigkeiten nur zusätzlich sein dürfen, beruht auf einem fatalen Irrtum. Weil die Interessen eines einzelnen Betriebs gefährdet sein könnten, übersieht man den vielfach größeren Schaden für die Allgemeinheit. Er entsteht, wenn die finanziellen Spielräume der Kommunen durch falsche Sozialpolitik bis zur Handlungsunfähigkeit eingeschränkt werden.

Also sind möglichst arbeitsmarktnahe Maßnahmen der richtige Weg?

Ja, denn die Zusätzlichkeit, die immer verlangt wird, gibt es gar nicht. Es gibt keine Tätigkeit, die nicht auch von privaten Anbietern erbracht werden könnte.

Sollte man dann nicht die Trennung zwischen erstem und zweitem Arbeitsmarkt aufheben?

Entscheidend ist die Bezahlung. Ich habe kein Problem mit einem zweiten Arbeitsmarkt, solange hier die Einkommen das Hartz-IV-Niveau nicht überschreiten. Die Menschen brauchen den größtmöglichen Anreiz, eine besser bezahlte Arbeit auf dem freien Markt zu finden.

In Bremen hat man dagegen über viele Jahre sozialversicherungspflichtige Stellen statt Ein-Euro-Jobs geschaffen.

Damit lässt man nur den alten Verschiebebahnhof zwischen Kommunen und Bundesagentur für Arbeit wieder aufleben. Wer mit öffentlicher Unterstützung sozialversicherungspflichtig beschäftigt wird, erwirbt Ansprüche an die Arbeitslosenversicherung. Bis zur Hartz-Reform war das eine beliebte Strategie der Kommunen, weniger Sozialhilfe zahlen zu müssen.

Kritiker behaupten, dass Ein-Euro-Jobs nicht ausreichen, um Langzeitarbeitslose für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren.

Das ist eine Scheindebatte. Es ist schon ein Erfolg, wenn sich ein Mensch wieder an Arbeit gewöhnt. Wer lange arbeitslos ist, verliert seine Leistungsfähigkeit und hat jeden Tag das Gefühl, ausgestoßen zu sein. Diesen Teufelskreis muss man durchbrechen. Wer durch geförderte Programme wieder Anerkennung bekommt und versteht, warum er fünf Tage in der Woche arbeiten soll, ist schon qualifizierter als jemand, der dieses Verständnis nicht hat. Es geht doch meist um Tätigkeiten, für die man kaum mehr braucht als Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit.


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

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