IZA Tower Talk - Berichte

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"Deutschland ist keine Basarwirtschaft" - Ministerpräsident Peer Steinbrück zu Gast im IZA Tower Talk

Vor großem Publikum fand am 12. Januar die erfolgreiche Veranstaltungsreihe "IZA Tower Talk" im Bonner Post-Tower ihre Fortsetzung. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück, referierte zum Thema "Zwischen Wohlfahrtsstaat und Basarwirtschaft: Die Zukunft der sozialen Arbeitsmarktpolitik in Deutschland". Im Anschluss stellte er sich der Diskussion mit Hilmar Schneider, IZA-Direktor für Arbeitsmarktpolitik, und den Gästen des IZA.

Steinbrück bekräftigte zu Beginn die Notwendigkeit einer konsequenten Umsetzung der Hartz-Reformen, die er als den weitreichendsten arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Reformschritt in der Geschichte der Bundesrepublik wertete. Dennoch warnte er davor einen kurzfristigen Effekt dieser Maßnahmen auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit zu erwarten. Heftig kritisierte Steinbrück die latente Neigung der deutschen Öffentlichkeit zu "Ausflügen ins Jammertal" und rief zu mehr Optimismus bei der Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft auf. Das bislang Erreichte etwa auf dem Gebiet der Steuerreformen könne sich - auch im internationalen Vergleich - durchaus sehen lassen, und dies, obwohl die 1990er Jahre als ein "versäumtes Jahrzehnt" gelten müssten.

Zentrale Bedeutung maß der Ministerpräsident der Bildungspolitik zu - hier habe Deutschland noch erhebliche Anstrengungen vor sich, um beispielsweise das Berufseintrittsalter der Absolventen zu verringern und die Beschäftigungssituation von geringer Qualifizierten durch entsprechende Maßnahmen zu verbessern. Im Übrigen gelte es, bislang ungenutzte Humankapitalpotenziale, wie sie insbesondere in der Gruppe junger, hochqualifizierter Frauen und Mütter vorhanden seien, durch eine konsequente Verbesserung des Angebots von Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu erschließen, um dem demographischen Schwund begegnen zu können.

Der angesichts unübersehbarer Globalisierungsfolgen mitunter vertretenen These von der "Basarökonomie", der zufolge die inländische Wertschöpfung im Vergleich zum Gewicht des Imports billig im Ausland hergestellter Vorleistungen und des Exports lediglich in Deutschland endmontierter Produkte an Bedeutung abnehme, widersprach Steinbrück entschieden. Er verwies unter anderem auf die Handelsbilanz mit den Staaten Osteuropas, die einen deutlichen Außenhandelsüberschuss ausweise. Von der intensiveren Arbeitsteilung gerade mit den neuen EU-Staaten habe Deutschland bislang eindeutig profitiert, Grund für Pessismismus sei nicht gegeben.

Im Gespräch mit Hilmar Schneider und dem Publikum erteilte Steinbrück Forderungen nach weiteren Steuersenkungen eine Absage und plädierte stattdessen für eine stärker steuerfinanzierte soziale Sicherung zur Entlastung des Faktors Arbeit. Ausdrücklich würdigte der Ministerpräsident die Forschungsarbeit des IZA und dessen Teilnahme an der wissenschaftlichen Analyse der Umsetzung der Hartz-Reformen.

 

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