IZA Tower Talk - Berichte

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Hans Barbier zu Gast im IZA Tower Talk: Am Kern der Fehlsteuerung angelangt

Der langjährige Leiter des Wirtschaftsressorts der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat auch in seiner Eigenschaft als Vorstandsvorsitzender der der Förderung der Sozialen Marktwirtschaft verpflichteten Ludwig-Erhard-Stiftung nicht an Scharfzüngigkeit eingebüßt. Diesen Beweis trat der inzwischen mit der Reinhold-Maier-Medaille der FDP Baden-Württemberg für seine profilierten Beiträge zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik geehrte Hans Barbier als Gast des IZA Tower Talk am 12. Oktober in Bonner Post-Tower an. "Deutschland arbeitet zu wenig", kritisierte Barbier. Er verwies auf die lange Reihe grundlegender Fehler der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die dazu geführt hätten, den Wert der Arbeit in der modernen Wohlstandsgesellschaft geringer zu achten, als er ihm tatsächlich gebühre.

Barbier plädierte mit Nachdruck dafür, im Rahmen der anstehenden Arbeitsmarktreform den Wert der Arbeit durch konsequente Verhaltensanreize wieder zu stärken. Eine Gesellschaft freier und eigenverantwortlich handelnder Bürger müsse zwar ihrer Verpflichtung zur Unterstützung Bedürftiger gerecht werden, schade sich aber selbst durch die de facto-Subvention derer, die sich in einer "Grauzone zwischen Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe" aufhielten, wohl arbeiten könnten, es aber - in unter den gegebenen Strukturen völlig rationaler Entscheidung - nicht tun wollten.

Mit der Umsetzung der Hartz IV-Reformen zur Bündelung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sei die Politik endlich am "Kern der Fehlsteuerung" angelangt und müsse hier zu konsequenten Korrekturen einschließlich verschärfter Zumutbarkeitsregeln zur Annahme wenig attraktiver Beschäftigungen kommen. Geschehe dies nicht, "wird sich dieses Land für lange Zeit nicht erholen". Vorstellbar sei in diesem Zusammenhang in mittlerer Sicht auch eine Ablösung der Arbeitslosenversicherung alter Prägung durch ein System aus obligatorischer Grundsicherung und privater Zusatzvorsorge, um mehr Kosten- und Verhaltensbewusstsein zu schaffen. Hier wusste sich Barbier mit Hilmar Schneider, IZA-Direktor für Arbeitsmarktpolitik, ebenso einig wie in der Forderung nach Beendigung des Irrwegs der Frühverrentung. Zudem verlange der demographische Wandel nach einem Bewusstseinswandel in der Alters- und Gesundheitsvorsorge. Es gehöre zu den Fundamenten einer Bürgergesellschaft, hier mehr Selbstverantwortung zu übernehmen. "Wir müssen wieder lernen, für die Rente zu sparen", begründete Barbier sein Plädoyer für den Aufbau kapitalgedeckter Rentensysteme und sprach sich zugleich klar für die Einführung des "Kopfprämienmodells" in der Krankenversicherung aus. Hier gelte es, das Kostenverursachungsprinzip in Kombination mit einer steuerfinanzierten Solidarkomponente durchzusetzen. "Das gegenwärtige Solidarsystem ist doch in Wirklichkeit längst nicht mehr solidarisch", kritisierte Hans Barbier. Arbeit als Chiffre eines wieder entdeckten Bürgerbildes - erst in dieser Perspektive ergebe sich die Chance auf ein neues, besonders hohes Maß an Bereitschaft zu sozialer Solidarität, die im Übrigen bei den gesellschaftlichen Eliten beginnen müsse.

 

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