IZA Tower Talk: Ist die Zukunft der Erwerbsarbeit weiblich?

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Die demografischen Veränderungen sorgen in den nächsten Jahren für einen massiven Schwund an Erwerbspersonen. Jenseits der Notwendigkeit einer aktiv steuernden Zuwanderungspolitik und weiterer Schritte zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit kommt deshalb vor allem der Aktivierung weiblicher Arbeitskräfte ein besonderer Stellenwert zu. Vielfache Barrieren in Form unzureichender Kinder-Ganztagsbetreuung, falscher Erwerbsanreize durch das Ehegattensplitting im Steuerrecht und einer nach wie vor unzureichenden Chancengleichheit selbst hochqualifizierter Frauen auf der betrieblichen Karriereleiter sorgen dafür, dass das Potenzial weiblicher Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt noch nicht voll zum Zuge kommt.

Vor diesem Hintergrund betreibt das IZA eine aktive Frauenförderung in der Wissenschaft – etwa im Rahmen des IZA-Forschernetzwerks und der IZA European Summer School in Labor Economics sowie in Form von Jobangeboten für junge Wissenschaftlerinnen – und führt regelmäßige Workshops zum Thema durch. Im Rahmen der IZA-Forschungsarbeiten zu anonymisierten Bewerbungsverfahren wird nicht zuletzt deren Einfluss auf die Chancengleichheit von Frauen analysiert.

Auch der jüngste IZA Tower Talk hatte die Rolle von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zum Diskussionsgegenstand. Als Gastreferentin betonte Angela Titzrath, Arbeitsdirektorin und Mitglied des Vorstands der Deutschen Post DHL, dass die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen im Erwerbsleben nicht nur „selbstverständlich“, sondern auch „eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft“ sei – duch eine Steigerung der Frauenbeschäftigung könne das Bruttoinlandsprodukt merklich gesteigert werden. Obwohl Frauen inzwischen hinsichtlich ihrer schulischen und beruflichen Ausbildung längst „klar in Führung“ lägen, gäbe es allerdings noch zu viele Männerdomänen in den Unternehmen und einen zu hohen Prozentsatz unfreiwilliger Teilzeitarbeit, was mit Lohn- und Renteneinbußen sowie Karrierenachteilen einhergehe. Mit betriebsinternen Zielen zum Frauenanteil an den Belegschaften und Angeboten zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung könne dem entgegengewirkt werden. Ebenso könne durch betriebliche Programmen zur Begleitung von weiblichen (und männlichen) Beschäftigten in Elternzeit, wie sie etwa von der Deutschen Post DHL praktiziert würden, eine größere Erwerbsnähe und Firmentreue erreicht werden.

Angela Titzrath forderte, das Augenmerk nicht nur auf nötige Maßnahmen zur Verbesserung der außerhäuslichen und betrieblichen Kinderbetreuung zu legen, sondern auch einen „Wandel der Arbeitskultur“ herbeizuführen. Die junge Erwerbsgeneration „Y“ zeichnet sich nach ihrer Wahrnehmung dadurch aus, dass sie – noch dazu in Zeiten von einsetzender Fachkräfteknappheit – sehr selbstbewusst auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Flexibilität am Arbeitsplatz einfordere. Familien-, Pflege- oder Bildungsauszeiten und Sabbaticals würden deshalb im Arbeitsprozess künftig immer weitere Verbreitung finden. Das lasse erwarten, dass die Rolle der Frauen auf dem Arbeitsmarkt kontinuierlich gestärkt werde.
IZA-Direktor Klaus F. Zimmermann verwies in seiner Ansprache auf den zuletzt deutlich positiven Trend in der Erwerbsbeteiligung von Frauen. Doch dürfe die Statistik nicht darüber hinweg täuschen, dass der erreichte Zuwachs überwiegend durch eine starke Ausweitung von Teilzeittätigkeiten erreicht wurde, die in Deutschland EU-weit am häufigsten ausgeübt würden. Auch daran werde deutlich, dass die Kinderbetreuungsangebote offenkundig noch nicht ausreichend und flexibel genug seien, anders als etwa in Schweden oder Frankreich. „Warum muss für die Kinderbetreuung in Deutschland – bei nach wie vor unzureichendem Angebot – viel Geld gezahlt werden, während das Hochschulstudium fast kostenlos ist? Das ist unfair und ökonomisch widersinnig“, so Zimmermann. In einer lebhaften Diskussion ging es sowohl um die bessere Vereinbarkeit von Karriere und Familie als auch um die Förderung von Frauen in Wissenschaft und Wirtschaft. Annegret Schell (Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg) gab in der von Adelheid Feilcke (Deutsche Welle) moderierten Diskussion einen Einblick in ihre Arbeit. Dort erlebe sie häufig, dass Frauen in Berufungsgesprächen anders behandelt würden als Männer. „Wir haben gut qualifizierte Frauen, holen sie aber zu wenig in die entsprechenden Positionen“, kritisierte Schnell mit Blick auf die Wissenschaft.

Zimmermann sprach sich ähnlich wie Titzrath für einen Ausbau der Ganztagsschulen und gegen die Förderung von Teilzeitarbeit aus. Anders als Annegret Schnell plädierte er jedoch explizit gegen die systematische Einführung von verpflichtenden Frauenquoten, da sie aus ökonomischer Sicht ineffizient seien und dem Prinzip der Bestenauswahl zuwider laufen könnten. Ohnehin werde sich die Präsenz von Frauen in Führungspositionen auch ohne Quote lösen. „Wir durchlaufen einen längeren Prozess, den wir nur konsequent zu Ende führen und durch mehr Familienfreundlichkeit unterstützen müssen. Die Zukunft gehört den Frauen“, argumentierte Zimmermann.

Angela Titzrath argumentierte an dieser Stelle ähnlich: „Trauen Sie sich, Frauen etwas zuzutrauen“, lautete ihr Fazit einer spannenden Debatte im 30. IZA Tower Talk.