IZA Tower Talk - Report

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"Wieviel Ethik verträgt die Wirtschaft?"

Zum runden Jubiläum des IZA Tower Talk – die erfolgreiche Veranstaltungsreihe besteht seit fünf Jahren und fand im Rahmen der Veranstaltungen zum 10. Geburtstag des IZA bereits zum 20. Mal statt – referierte mit Heinrich Deichmann der Vorsitzende der Geschäftsführung der größten europäischen Schuheinzelhandelskette Deichmann-Schuhe am 17. September im Bonner Post-Tower zum Thema „Wieviel Ethik verträgt die Wirtschaft?“. Angesichts von Massenentlassungen und der jüngsten Finanzkrise wandte sich Deichmann gegen „Exzesse der Profitgier“, die die Bürger am System der sozialen Marktwirtschaft zweifeln ließen.

Dem entgegen stellte er das Leitbild einer Orientierung des Unternehmers auch und vor allem am „Stakeholder Value“, also den Interessen von Mitarbeitern und Kunden, sowie an langfristigen statt kurzfristigen Profiten. Zwar seien Familienunternehmen wie Deichmann eher in der Lage, sich am Markt in dieser Weise zu positionieren als börsennotierte Großunternehmen, doch es sei zu einfach, wenn häufig die Zwänge der Globalisierung als Grund für eine rein gewinnmaximierende Unternehmensphilosophie angeführt würden. Das Beispiel Deichmann zeige im Gegenteil, dass ethisch orientiertes unternehmerisches Handeln auch wirtschaftlich sehr profitabel sein könne und einer strikten betrieblichen Preis-Leistungs-Kalkulation nicht im Wege stehe, sondern Synergien auf den unterschiedlichsten Ebenen erzeuge. So sei die Identifikation der Deichmann-Beschäftigten mit ihrem Unternehmen besonders hoch, und die Angebote des Unternehmens etwa im Hinblick auf Gesundheitsvorsorge und freiwillige soziale Leistungen führten zu einer auffallend geringen Mitarbeiterfluktuation. Beides sei für die Produktivität von erheblichem Vorteil.

Der hauseigene Code of Conduct definiere zudem klare Mindeststandards für alle – überwiegend asiatischen – Lieferanten von Deichmann im Hinblick auf die Einhaltung von Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutzauflagen. Dass in vielen Ländern Asiens gemessen an hiesigen Standards nur sehr geringe Löhne gezahlt werden, dürfe nicht als Ausbeutung missverstanden werden: Vielmehr sei es falsch, diese und andere Regionen nicht am Welthandel teilnehmen und sie dabei ihren Standortvorteil ausspielen zu lassen, denn durch die Arbeit werde für die Menschen dort ein Grundstein für späteren Wohlstand gelegt. Als Beispiel führte Deichmann Taiwan als ehemaliges Billiglohnland an, das mittlerweile zum Hochtechnologiestandort aufgestiegen ist.

Deichmann stellte zahlreiche gemeinnützige Projekte seines Unternehmens vor. Die von seinem Unternehmen ins Leben gerufene und getragene Hilfsorganisation „wortundtat“ ist unter anderem in Indien, Tansania und Moldawien an verschiedenen Förderprojekten beteiligt. In Kooperation auch mit dem IZA wird der Förderpreis gegen Jugendarbeitslosigkeit an Unternehmen mit besonders guter Jugendförderung verliehen. Deichmann verwies darauf, dass sich viele Familienunternehmen in Deutschland in ähnlicher Weise sozial engagieren, und empfahl deshalb einen stärkeren Fokus der Wirtschaftspolitik auf ihre Belange. Denn die eigentliche Frage sei: „Wieviel Ethik braucht die Wirtschaft?“