IZA Tower Talk - Report

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Negative Einkommensteuer versus Workfare?
Debatte um Förderung des Niedriglohnsektors im IZA Tower Talk

Im Mittelpunkt des 18. IZA Tower Talk am 8. August im Bonner PostTower stand die Frage nach dem „Königsweg“ zur Bekämpfung der persistent hohen Arbeitslosigkeit unter Geringqualifizierten in Deutschland. Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, stellte sein Modell zur Bezuschussung geringer Einkommen in Form einer negativen Einkommensteuer zur Diskussion, während Hilmar Schneider, IZA-Direktor Arbeitsmarktpolitik, das IZA-Workfare-Konzept präsentierte. Moderiert von Joachim Westhoff, Chefredakteur des Bonner General-Anzeigers, diskutierten Bofinger und Schneider vor dem Hintergrund dieser beiden sehr unterschiedlichen, letztlich aber aus Sicht Bofingers durchaus kompatiblen Modelle die politischen Handlungsnotwendigkeiten, bezweifelten allerdings unisono die Bereitschaft der Politik im Sinne des Ökonomenrates mit der nötigen Konsequenz Korrekturen an den Strukturen des Sozialstaats und seinen Anreizmechanismen vorzunehmen.

Peter Bofinger diagnostizierte in seinem Vortrag die Belastung durch Sozialabgaben im Niedriglohnbereich bei Vollzeitbeschäftigten - die in Deutschland die zweithöchste im gesamten OECD-Bereich ist - als klar zu hoch und mithin als zentrale Ursache für Arbeitslosigkeit. Um hier Abhilfe zu schaffen, sieht sein Modell vor, Niedrigeinkommen in Höhe der jeweils fälligen Sozialabgaben zu bezuschussen, sofern eine Wochenarbeitszeit von 30 Stunden nicht unterschritten wird. Daraus resultiere ein erheblicher Anreiz für Arbeitsuchende, sich um Vollzeitbeschäftigung zu bemühen. Vor allem aber bewirke das Konzept eine Entstigmatisierung der Zielgruppe, die „in Würde“ auf den Arbeitsmarkt zurückkehren könne, statt dauerhaft den Status eines „Hilfebedürftigen“ zu haben.
Hilmar Schneider hielt diesem Modell den Workfare-Ansatz des IZA entgegen, der ungleich stärkere Beschäftigungseffekte bei gleichzeitig viel größeren Einsparwirkungen für den Sozialstaat erziele. Durch die Einführung einer obligatorischen Gegenleistung in Form gemeinnütziger Ganztagsarbeit für erwerbsfähige Bezieher von Arbeitslosengeld II könnten die bestehenden Fehlanreize im System der sozialen Sicherung beseitigt werden. Sie bewirkten gegenwärtig, dass es nur wenigen Geringqualifizierten überhaupt lohnend erscheine, sich um Arbeit zu bemühen, da die Wahrscheinlichkeit, dafür einen nennenswert über dem Niveau des Transferanspruchs liegenden Lohn erzielen zu können, sehr gering sei. Aus diesem - völlig rationalen - Kalkül resultiere einerseits ein rückläufiges Angebot solcher, gegenwärtig kaum erfolgreich vermittelbarer Jobs, andererseits aber auch ein bemerkenswert hohes Niveau schattenwirtschaftlicher Aktivitäten. Schneider konzedierte zwar, dass Kombilöhne einfache Tätigkeiten attraktiver machten, wies aber darauf hin, dass das Bofinger-Modell wie jedes Kombilohnkonzept erhebliche Mitnahmeeffekte erzeugen dürfte, denn Personen mit einem höheren Stundenlohn könnten ihre Arbeitsstundenzahl verringern, um in den Genuss der Subventionen bei mehr Freizeit und gleichem Einkommen zu kommen. Demgegenüber bewirke Workfare einen massiven Anreiz zur Aufnahme von Erwerbsarbeit durch Transferbezieher, die selbst bei Annahme eines gering entlohnten Jobs bei gleichem Zeiteinsatz ein höheres Einkommen gegenüber dem Transferbezug erzielen könnte.

Das „Streitgespräch“ beider Ökonomen entzündete sich vor allem an der Frage, in welchem Umfang die Umsetzung von Workfare eine Inkaufnahme von Verdrängungseffekten durch das Angebot gemeinnütziger Tätigkeiten erfordere. Während Peter Bofinger hierin die „zentrale Schwäche“ des Workfare-Ansatzes sah, verwies Hilmar Schneider darauf, dass allein durch das veränderte Arbeitsangebot eine stärkere Nachfrage seitens der Unternehmen erzeugt werden würde und überdies beispielsweise über professionelle Dienstleistungsagenturen Verdrängungseffekte auf ein Minimum reduziert werden könnten. Zugleich beende das Gegenleistungsprinzip von Workfare die massive Verdrängung regulärer Arbeit durch die Schattenwirtschaft. Beide Experten waren sich einig in der kritischen Bewertung der „Minijobs“. Hier sprach sich insbesondere Peter Bofinger für die umgehende Abschaffung zugunsten einer Förderung regulärer Erwerbsarbeit aus.

Obwohl sich also beide Wissenschaftler demselben Ziel verpflichtet sehen, staatliche Leistungen stärker an erbrachte Arbeit zu koppeln und so zu Einsparungen beizutragen, herrscht weitgehend Uneinigkeit in Bezug auf den einzuschlagenden Weg. Auch die im Anschluß vom Publikum gestellten Fragen konnten hier leider keine neuen Denkanstöße liefern.