IZA Tower Talk - Bericht

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Jürgen Borchert: "Deutschland kann nur mit Fabriken zwischen den Ohren wuchern"

Auf Einladung des IZA referierte Jürgen Borchert, Richter am hessischen Landessozialgericht in Darmstadt und ausgewiesener Experten in Fragen der Familienpolitik, am 24. Oktober 2006 in der Bonner Konzernzentrale der Deutschen Post World Net zum Thema „Armut für alle? Wie die Familienpolitik Freiheit und Wohlstand untergräbt“.

Borchert geißelte die krasse Benachteiligung von Eltern im Steuer- und Sozialsystem. Es sei alles andere als sozial fair, wenn berufstätige Eltern anders als Kinderlose gleich doppelt belastet werden: Einerseits haben sie in gleichem Umfang wie Kinderlose Zahlungen in die Rentenversicherungskassen vorzunehmen, andererseits tragen sie erhebliche finanzielle Belastungen durch die Erziehung von Kindern, die später auch die Rente der Kinderlosen erwirtschaften. Borchert rechnete vor, dass 80 Prozent aller Staatseinnahmen insbesondere Familien stark belasten und sprach in diesem Zusammenhang von deren „wirtschaftlicher Strangulation“. Dieses Ungleichgewicht werde sich im Zuge der wachsenden Bedeutung der indirekten Besteuerung sogar noch weiter verschärfen, da Familien von Verbrauchssteuern ungleich stärker betroffen seien als Einzelpersonen. Borchert stellte die These auf, dass die gegenwärtige, unzureichende steuerliche Umverteilung zugunsten von Familien ganz vermieden werden könne, wenn die Bemessung bei Steuern und Sozialbeiträgen nach der Leistungsfähigkeit – also unter Berücksichtigung der Kinderzahl – erfolgen würde. Doch statt dessen werde staatlicherseits die Kinderlosigkeit „gefördert“ - mit dem Ergebnis, dass Deutschland als ein Land, das nur „mit den Fabriken zwischen den Ohren“ wuchern könne, an Humankapital weiter einbüße.

Um den Familien einen größeren Einfluss auf die Politik zu geben, plädierte Borchert für die Einführung des Familienwahlrechts, bei dem Eltern zusätzlich das Wahlrecht ihrer Kinder bis zu deren Volljährigkeit wahrnehmen könnten.