IZA Tower Talk - Berichte

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Klaus von Dohnanyi: "Arbeitslosigkeit in Deutschland - Warum unsere Erklärungen fragwürdig sind"

Klaus von Dohnanyi
Bereits zum 13. Mal lud das IZA am 28. März 2006 zum „Tower Talk“ in die Bonner Konzernzentrale der Deutsche Post World Net ein. Klaus von Dohnanyi, stellvertretender Vorsitzender des „Konvents für Deutschland“, analysierte in seinem Vortrag die Ursachen der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland. Er widersprach der These, dass die Bundesrepublik aufgrund eines eklatanten Reformstaus wirtschaftliches Schlusslicht in Europa sei. Zwar führe kein Weg an mutigen Reformen vorbei, jedoch sei die Hauptursache der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland die sowohl historisch als auch im internationalen Vergleich singuläre Belastung durch die Wiedervereinigung. Hinzu kämen die Folgen der Konvergenzdynamik im Zuge der Einführung des Euro.
Im Jahr 1989 habe es "die erste EU-Osterweiterung im eigenen Land" gegeben, die schlagartig zur Integration einer großen Zahl von Erwerbspersonen "ohne Produkte und Kunden" gezwungen und gigantische Transferleistungen von West nach Ost erfordert habe. Um die deutsche Einheit zu finanzieren, sei zudem der deutsche Arbeitsmarkt durch zusätzliche Lohnnebenkosten in starker Weise belastet worden. "Wir scheuen uns, diese wirtschaftliche Last der politisch so glückhaften deutschen Wiedervereinigung zu sehen", kritisierte Dohnanyi. Bei näherer Betrachtung zeige sich, dass die Wirtschaftsleistung der alten Bundesrepublik nach wie vor jedem Vergleich standhalte und folglich das "typisch deutsche" Lamentieren über die eigene "Misere" fehl am Platze sei. Deutschland sei international nach wie vor sehr gut positioniert und habe seinen Weltmarktanteil ungeachtet des Hinzutretens neuer Akteure wie China oder Indien behaupten können.
Seit den 1980er Jahren habe Deutschland de facto nichts von seiner Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt - und dies, obwohl neben der Belastung durch die deutsche Einheit auch der Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen EU-Staaten in Form einer besonders starken Währung und stabiler Preise mit der - richtigen - Einführung des Euro verloren gegangen sei.
Vor diesem Hintergrund forderte Dohnanyi zu mehr Selbstbewusstsein im Blick auf die Wirtschaftskraft und Reformfähigkeit Deutschlands, aber auch zu mehr "Wahrheit" auf. Erst durch mehr Aufrichtigkeit im Umgang mit den ökonomischen Fakten entstehe Zuversicht und der nötige gesellschaftliche Mut zur Durchführung weitreichender Reformen, die gerade angesichts der besonderen Situation Deutschland unvermeidbar seien.