IZA Tower Talk - Bericht

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Griff in den "Pillenkasten" – Bundesbankpräsident fordert mehr Reformdynamik

Axel Weber im Gespräch mit Hilmar Schneider
Als Gast des IZA Tower Talk referierte am 24. November Bundesbankpräsident Axel Weber vor vollem Saal im Bonner Post-Tower über Chancen und Risiken der Globalisierung und die vor diesem Hintergrund unausweichlichen Reformnotwendigkeiten auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Der Ökonom warnte davor, die Globalisierung als "Sündenbock für hausgemachte Probleme" zu missbrauchen und stellte anhand zahlreicher Fakten fest, dass Deutschland eindeutig zu den Gewinnern der weltweiten Wirtschaftsverflechtung zähle. Die eigentlichen Verlierer dieser Entwicklung seien die Staaten Afrikas, an denen die Globalisierung bislang völlig vorbei gegangen sei. Hier sei ein umfassender Barriereabbau im Handel mit diesen Ländern vordringlich.
In Deutschland wirke die Globalisierung dagegen förmlich wie eine Vitaminkur, auf die das Land umso weniger verzichten könne, als Sozialstaat und Arbeitsmarkt nach wie vor schwer krank seien. "Ein ganzer Pillenkasten“, so Axel Weber, sei nötig, um hier Abhilfe zu schaffen. Die meisten Reformrezepte lägen zwar griffbereit in der Schublade, doch politisch geschehe noch zu wenig, um sie mit dem erforderlichen Nachdruck in die Tat umzusetzen. Um den strukturellen Defiziten zu begegnen, müsste eine Abkoppelung der Kranken- und Pflegeversicherungen von den Arbeitskosten erfolgen, das Flächentarifvertragsrecht noch konsequenter flexibilisiert, der Kündigungsschutz weiter gelockert und eine Konzentration von Subventionen auf aufstrebende Wirtschaftszweige wie den Dienstleistungssektor (bei gleichzeitig radikalem Subventionsabbau in zukunftslosen Segmenten) vorgenommen werden. Deutschland bleibe nicht mehr viel Zeit, um diese Reformen durchzuführen, denn nach dem Jahr 2010 würde sich der Problemdruck demographiebedingt noch erheblich verschärfen.
Sowohl Axel Weber als auch Hilmar Schneider, IZA-Direktor für Arbeitsmarktpolitik, bezweifelten allerdings, ob die neue Bundesregierung die Kraft aufbringen werde, gegen die zu erwartenden Widerstände zu wirksamen Problemlösungen zu kommen. Einerseits böte die große Koalition zwar durchaus gute Chancen, das "Handlungsdefizit“ zu überwinden, andererseits könne sich aber schnell erweisen, dass die divergierenden politischen Vorstellungen der beteiligten Parteien einer umfassenden Reformstrategie im Weg stehen.